Worte aus der Quarantäne

Hier finden Sie (hoffentlich für jeden Tag neu) Worte und Gedanken von Pastorinnen und Pastoren der ELKI. In diesen Zeiten, in denen der Kontakt untereinander eingeschränkt oder fast abgebrochen ist, möchten wir damit versuchen, den Blick darauf zu lenken, was auch noch gilt: Wir sind nicht allein! Und da wo Menschen uns nicht mehr erreichen, vertrauen wir darauf, dass Gott es vermag.

Wir möchten mit diesen Worten und Gedanken ermutigen, stärken und vielleicht das Sichtfeld und die Gedankenwelt erweitern auf das, was allzuleicht zu verschwinden droht.

 

Mittwoch, 13.05.2020

„Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder“ 1. Könige 8,39

Mir fiel gleich dieses kleine Bild dazu ein, das so häufig mit einer Nachricht auf dem Smartphone verschickt wird. Am vergangenen Sonntag hatte es mal wieder Hochkonjunktur, als in den verschiedenen Whatt’s app Gruppen Grüße und Texte zum Muttertag verschickt wurden. Und auch an anderen Tagen findet es immer wieder Verwendung und sagt oft mehr als viele Worte. Ein Tipp mit dem Finger und schon habe ich so viel ausgedrückt von all dem, was ich gerade fühle oder denke, was mich im Innern bewegt und umtreibt. Freude, Sympathie, Zustimmung, Gemeinsamkeit, Freundschaft, Liebe und noch so manches andere teile ich jemandem mit, und er oder sie weiß es dann.

Im Wort zum heutigen Tag heißt es nun, dass Gott diese Informationen von allen Menschen hat. Er weiß, wie es einem jedem von uns geht. Er weiß, wie es tief in uns aussieht, was uns wirklich bewegt. Eigentlich unvorstellbar – aber ist nicht so vieles an Gott unvorstellbar?

Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder. So betet der König Salomo, als er den fertigen Tempel in Jerusalem einweiht. Es geht Salomo darum, dass Menschen in diesem Tempel aus den verschiedensten Anlässen Gott anrufen werden. Das werden oft Anlässe aus der Not sein. Salomo bittet Gott, er möge jedem dieser Menschen geben, wie er es verdient habe, „wie du sein Herz erkennst“, sagt Salomo, und er fährt fort: „Denn du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.“

Salomo weiß: Das, was von einem Menschen sichtbar ist, das kann andere täuschen. Wie es im Innern eines Menschen aussieht, kann kein Außenstehender wirklich erkennen und ganz durchschauen. Aber wenn Gott einen Menschen sieht und ihn beurteilt, dann spielt für ihn nicht nur das äußere Tun und Lassen eine Rolle, sondern vor allem das, was an Gedanken und Motiven dahinter zu erkennen ist. Und das weiß oft nur Gott in allen Zusammenhängen und Verästelungen. Er allein kennt das Herz aller Menschen.

Mir hilft, wenn ich das Handeln eines anderen nicht verstehe, der Gedanke, dass Gott mehr sieht und weiß als ich. Und auch, wenn andere mein Handeln nicht verstehen, gibt es mir Kraft, wenn ich darauf vertraue, dass Gott meine Motive kennt.

Und was können wir Menschen über Gottes Herz wissen? Nun vor allem das, dass er uns liebt! Amen

Pastor Carsten Gerdes

Mittwoch, 29.04.2020

Magdalena Tiebel-Gerdes

„Nur wer es wagt zu fliegen, fliegt.“

„Der an Covid-19 erkrankte chilenische Schriftsteller Luis Sepúlveda ist tot. Im Alter von 70 Jahren ist er im Universitätskrankenhaus der nordspanischen Stadt Oviedo gestorben, sagte ein Krankenhausmitarbeiter der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage. Der Autor von Der Alte, der Liebesromane las sei einem Multiorganversagen erlegen, hieß es.“

So hatte es in der Zeitung gestanden. Es interessierte mich, und ich stieß auf einen bewunderten Schriftsteller, der seit der Zeit Pinochets im Exil gelebt hatte. Zuerst in Deutschland, dann in Frankreich und am Schluss mit seiner Frau in Spanien. Er hatte Bücher mit Titeln geschrieben, die mich neugierig machten. Neben, „Der Alte, der Liebesromane las“ auch das Buch: „Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“.

Ich las es. Ein wunderbares Buch für Kinder und Erwachsene über eine verschworene Katzengemeinschaft und Verantwortung für andere Lebewesen. Zorbas nimmt gerade ein behagliches Sonnenbad auf seinem Balkon, als eine Möwe mit ölverklebtem Gefieder genau auf dem Balkon notlandet. Hilfsbereit will sich Zorbas gleich auf den Weg machen, um Rat und Hilfe von seinen Katerfreunden zu holen. Doch die Möwe weiß, dass ihr nicht mehr viel Lebenszeit bleibt, und hat einen ganz anderen Wunsch – sie will noch ein Ei legen und nimmt dem Kater drei Versprechen ab:

  1. das Ei nicht aufzuessen,
    2. das Ei auszubrüten,
    3. dem geschlüpften Möwenküken das Fliegen beizubringen.

Kater Zorbas gibt der Möwe aus Mitgefühl und bei seiner Katerehre alle drei Versprechen und sucht sodann seine Katerkumpel auf: Colonello und Secretario sind „Untermieter“ eines italienischen Restaurants, Diderot wohnt in einem riesigen Trödelbazar und auch Sopravento ist ein guter Freund aus dem Hafen.

In Zorbas Abwesenheit legt die Möwe ihr Ei und stirbt. Die Kater begraben und betrauern die Möwe angemessen – eine Silbermöwe übrigens, wie der Diderot kundzutun weiß. Dann beginnt für Zorbas eine anstrengende Zeit des Eibebrütens; doch Katerehrenwort ist Katerehrenwort und wird gehalten.

Nachdem das niedliche Küken geschlüpft ist und Zorbas mit Mama anspricht, wird es von der Katergemeinschaft feierlich auf den Namen „Afortunada“ getauft und in den weitläufigen Räumlichkeiten des Bazars versteckt, fürsorglich gefüttert und großgezogen. Bloß mit dem Flugunterricht hapert es. Erst am Ende, mit Hilfe eines Dichters wird die inzwischen erwachsene Möwe auf dem Turm des Hamburger Michels in Wind und Regen in die Luft geworfen … und kann fliegen. Der Dichter sagt: „Nur wer es wagt zu fliegen, fliegt.“

Mir hat dieses Buch in diesen Tagen gut getan! Die wunderbare Einfachheit, mit der diese fünf Katzen es schaffen, dem Möwenküken zu helfen und auch der weise Satz des Dichters.

Es ist für Sie bestimmt keine neue Einsicht in diesen Tagen, wie gut es tut, sich in ein Buch zu vertiefen und alles um sich herum, zu vergessen. Auch mit diesem Buch von Luis Sepulveda geht das gut. Auch zusammen mit einer ganzen Familie. Durch dieses Buch eingeladen, können wir im Geiste, wie die Möwe, unsere Flügel ausbreiten und in Gedanken an andere Ort und Zeiten fliegen, wo wir mit allen lieben Menschen zusammen kommen können, die wir jetzt vermissen. Und Fliegen können wir!

Mittwoch, 22.04.2020

Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Galater 3,26

Diese Worte aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Galatien sind vermutlich ein Teil einer sehr alten christlichen Taufformel. Im Folgenden führt der Apostel aus, was für ihn daraus folgt: Alle Menschen sind gleich viel wert und bilden durch ihren Glauben an Jesus Christus eine Einheit, obwohl sie äußerlich sehr unterschiedlich sein können. Alle haben gleiche Rechte, alle können sich beteiligen, ob Sklavin oder Herr, ob Jude oder Griechin, ob reich oder arm, Mann oder Frau.

Eine wunderbare Vision, wie ich finde. Nein, nicht nur eine Vision, die ja doch nie stattfinden wird, sondern eine Haltung, eine Einstellung, die jeder und jede für sein Leben und Handeln übernehmen kann, damit sie stellenweise erreicht werden kann. Diese gelebte Geschwisterlichkeit wirkte bereits in der frühen Christenheit anziehend auf viele Menschen und überzeugte sie, dazu gehören zu wollen. Die Alltagserfahrungen der Menschen waren dabei auch damals schon meist andere. Die Gesellschaft machte große Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nation, Religion und Geschlecht.

Und das ist leider auch heute noch so. Vielleicht sogar in letzter Zeit wieder mehr. Unsere globalisierte Welt teilt sich immer stärker auf in solche, die in Frieden leben und teilhaben können an Arbeit und Konsum und andere, die mittellos, ohne Arbeit, in vielen Teilen der Welt sogar in Krieg und Elend leben. Es gibt an vielen Orten Spannungen zwischen Einheimischen und Fremden. In vielen Zusammenhängen haben Männer und Frauen immer noch nicht die gleichen Rechte und der Lernerfolg von Schulkindern hängt oft maßgeblich vom Bildungsgrad der Eltern ab. Umso mehr gilt es, den Worten Paulus auch Taten folgen zu lassen. Umso mehr gilt es, diesem Gedanken zu vertrauen: Vor Gott sind wir alle gleich. Und weil wir gleich sind, brauchen wir uns nicht gegenseitig zu bekämpfen und zu positionieren. Diese Kraft können wir uns sparen und stattdessen fröhlich miteinander leben und uns aneinander freuen. Amen

Carsten Gerdes

Mittwoch, 15.4.2020

Andacht zu Jes. 40, 27 – 31: „Neue Kraft bekommen“

Liebe Gemeinde,

gestern in einem Telefonat kam der Frust über die jetzige Situation voll zur Sprache: Ostern mit seiner schönen Botschaft und einigen freien Tagen ist vorüber und Eltern und Kinder müssen wieder arbeiten, sprich vor dem Bildschirm sitzen. Auch die Ferien der europäischen Schule gehen bald zu Ende. Und für alle ist im Prinzip unklar, wie lange das noch so geht.. Da werden die müden Nerven schon strapaziert und die Stimmung wird schlechter. Was passiert nach dem 3. Mai? Wer darf dann was machen? Viele Fragen!

Ich lese Ihnen und Euch dazu einige Verse aus dem Jesajabuch vor, die am Sonntag die alttestamentliche Lesung sind: Jes. 40, 27 – 31:“ Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist Gott verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«?  Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und genügend Stärke dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“

Vor allem der letzte Vers hat mich gleich angesprochen: … neue Kraft bekommen, so als wären wir wie starke Adler und laufen können, also leben können, ohne müde zu werden und mißmutig. Das ist eine Sehnsucht und ein Bedürfnis der jetzigen Tage. Es scheint, als wären bei manchen die Kraftreserven aufgebraucht. Schon lange haben wir uns zusammen gerissen – langsam ist nun „Ende Gelände“.

Und bei Jesaja? Warum schreibt er diese Verse? Seine ZuhörerInnen, die Israeliten hatten ganz andere Probleme, aber ihren Seelen ging es ähnlich. Sie waren immer noch im Exil – schon fast 60 Jahre. Immer hatten sie gehofft, es würde sich etwas ändern. Nun zeichnet sich auch ein Wechsel der Großmächte ab, der Perserkönig „Kyros“ läuft sich warm. Aber es dauert – und die Nerven liegen blank. Sie fragen sich: Hat Gott uns vergessen? Kann er uns nicht helfen oder will er nicht?

Und Jesaja antwortet mit zwei verschiedenen Argumenten: Gott ist größer als alles andere. Er ist der Schöpfer der Welt und des Lebens. Das bedeutet: Er kann euch helfen. Und  das zweite: Gott hat euch schon häufig in  Problemen geholfen, euch immer wieder neue Kraft gegeben, also wird er es auch dieses Mal tun. Erinnert euch daran und bekommt neuen Mut!

Und das will ich heute auch machen: Wir haben einen Glauben, der uns stärkt! Der uns immer wieder hinweist auf die Güte Gottes und seine Barmherzigkeit. Eben haben wir Ostern gefeiert mit seiner Botschaft, dass Gott stärker ist, als der Tod. Und wir haben dies auch schon selber in unserem Leben erlebt, dass wir in ganz dunklen Zeiten, Gott an unserer Seite gespürt haben. (Lesen Sie noch einmal die Geschichte der „Fußspuren im Sand“! Sie finden Sie im Internet.)

Für uns alle gilt: „ Die auf den Gott vertrauen, bekommen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie leben und nicht müde werden.“

 

Das wünsche ich Ihnen für die nächsten Tage! Ihre und Eure Magdalena Tiebel-Gerdes

 

 

Mittwoch, 01.04.2020

Wort zum Tage für Mittwoch, 1.4 2020

Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr, ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.

Liebe Gemeinde und Freunde!

Wie kommen Sie durch diese Wochen? Mir macht es den Eindruck, als sei unsere Welt völlig verändert, quasi aus den Angeln gehoben. Wenig ist noch so, wie vorher. Auch ist es so, als wenn sich die Wahrnehmung der Geschwindigkeit der Zeit verändert hat. Sie läuft scheinbar langsamer. Immer wieder frage ich mich, wann denn diese Woche endet oder wann denn die Passionszeit endet?

Etwas vermisse ich dabei sehr: das Singen im Gottesdienst. In diesen Tagen ohne Gottesdienste mit der Gemeinde werden auch die Passionslieder viel weniger gesungen.

Gerade das Lied „Holz auf Jesu Schulter“ singe ich gerne. Am Sonntag habe ich es alleine in der Kirche gesungen:
1.Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht. Kyrie eleison, sieh, wohin wir geh’n. Ruf uns aus dem Toten, lass uns aufersteh’n.

  1. Wollen wir Gott bitten, dass auf unserer Fahrt, Friede unsere Herzen und die Welt bewahrt. Kyrie eleison, sieh, wohin wir geh’n. Ruf uns aus den Toten, lass uns aufersteh’n.

6.Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr, ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer. Kyrie eleison, sieh, wohin wir geh’n. Ruf uns aus den Toten, lass uns aufersteh’n.

(Innario, n. 139, 1,2,6)

 

In diesem Jahr gewinnt der Text des Liedes noch einmal neue Bedeutung für mich. Der Gedanke, dass aus dem Baum des Todes Jesu ein Baum des Lebens für uns wird, drückt eine wunderbare Hoffnung aus. Leid und Tod nehmen gerade überhand. Die Situation in den Krankenhäusern und Trauerfamilien erschreckt und macht fassungslos. Das Eingesperrtsein ist für viele schwer zur ertragen, Konflikte und Sorgen werden groß und größer.

Diese Erfahrungen lassen sich zusammenfassen im Bild des Kreuzes und ich kann zu Jesus rufen: „Kyrie eleison, sieh, wohin wir geh’n. Ruf uns aus den Toten, lass uns aufersteh’n.“. Der Wunsch nach Auferstehung, nach Ostern, nach dem Ende dieser Zeit ist sehr stark. „Lass uns aufersteh’n! Gib, dass es wieder leichter wird. Dass die Ansteckung zurück geht, die Maßnahmen helfen und die Kranken sich wieder erholen!“

Im Lied ist von einer Fahrt die Rede, von unserer Fahrt des Lebens. Dazu gehören auch diese Wochen. Der Wunsch nach Frieden im Leben ist jetzt so wichtig. Ich brauche innere Ruhe und Frieden, um mit dieser Situation umzugehen und um sie auszuhalten. Und nicht nur Frieden für mich, sondern auch  Friede für die Welt wird gewünscht. Darin ist für mich auch enthalten, dass es zwischen den Ländern innerhalb und außerhalb der EU Solidarität mit Italien gibt (und auch mit Spanien oder England). Mit allen Ländern, in denen die Situation eskaliert. Wir brauchen gegenseitige Unterstützung, sowohl zwischen den Ländern, wie auch zwischen einzelnen Menschen in der Nachbarschaft oder Comune.

Hinter diesen einzelnen Gedanken steht das große Hoffnungsbild: aus dem Baum des Todes erwächst ein  lebendiger Baum mit vielen Früchten. Ich hoffe, wir werden nach dieser Zeit eine veränderte Welt haben, eine Welt, wo wir uns der Bedeutung von Menschlichkeit und Gemeinschaft bewusster sind. Eine Welt, wo es nicht nur um Geld und Stress geht, sondern auch um unser Heil, unseren Glauben und einen liebevollen Umgang miteinander.

Ihre Magdalena Tiebel-Gerdes, Pastorin Ispra Varese

 

Donnerstag, 26.03.2020

Se non potete andare fuori, andare dentro. (nicht aus der Bibel, aber aus dem Leben)

Wenn du nicht hinausgehen kannst, gehe hinein, in dich.

 

Die Bibel kennt viele Geschichten und Situationen der räumlichen Beschränkung. Die Arche, in der Noah mit seiner Familie und den vielen Tieren während der Flut aushielt. Oder der Prophet Jona, der von einem Walfisch verschluckt wurde. Oder der Apostel Paulus, der mehrfach in seinem Leben seines Glaubens wegen im Gefängnis ausharren musste.

Eingesperrt, abgeschnitten vom Leben und allen Ablenkungen draußen, konzentriert auf sich selbst. Natürlich ist da zunächst das Gefühl: jetzt fehlt mir so vieles aus meinem bisherigen Alltag. Natürlich ist da auch die Angst und Unsicherheit: Was passiert jetzt mit mir und meinem Leben? Und sicher entwickelt sich zu den Gefühlen auch Protest: Ich will nicht eingesperrt sein! Das verstehen wir alle in diesen Wochen nur zu gut.

Aber: Wenn du nicht hinausgehen kannst, gehe hinein, in dich. Der Satz meint nicht: Schau mal, was hier drinnen in deiner Wohnung vielleicht aufzuräumen ist. Welches Regal müsste mal geordnet werden? Nein, in sich gehen, auf sich selbst schauen, meint mehr. Was ist eigentlich wirklich wichtig im Leben? Was möchte ich erreichen? Was fehlt mir?

Auf einmal tauchen Wünsche, Gedanken, Fragen an der Oberfläche auf, die sonst im Alltag keinen Platz haben. Jetzt wäre Zeit, sie einmal zu durchdenken. Und vielleicht höre ich in diesen Momenten auf einmal die Stimme Gottes, die mir was sagen möchte.

Ich bin sicher, auch wir kommen anders aus dieser Situation heraus, als wir hineingegangen sind.

Und das bereue ich nicht.

Carsten Gerdes

Mittwoch, 25.03.2020

Wie kehrt ihr alles um! Als ob der Ton dem Töpfer gleich wäre, dass das Werk spräche von seinem Meister: Er hat mich nicht gemacht! Und ein Bildwerk spräche von seinen Bildern: Er versteht nichts! (Jesaja 29,16 Losung)

 Alle miteinander bekleidet euch mit Demut.

(1. Petrus 5,5 Lehrtext)

Ein Töpfer formte Tierfiguren für eine Schale aus Ton. Als er gerade ein Lamm geformt hatte, dachte er so bei sich, „nun sitze ich hier so einsam und allein in meiner Werkstatt, was habe ich nur aus meinem Leben gemacht?“ Da sprach das Lamm das er gerade geformt hatte zu ihm: „Wie sollte denn dein Leben aussehen?“ Überrascht über die Stimme des Lamms, das auf einmal sprechen konnte antwortete er: „Na vielleicht so wie das meines Nachbarn, dem Kaufmann, er ist reich und genießt Achtung und Ansehen im ganzen Ort.“ Ehe er sich versah, steckte er selbst in Kaufmannskleidung und stand in einem großen prächtigen Haus und diskutierte mit Händlern, Steuereintreibern und Advokaten. Ach, dachte er sich so, dieser Ärger, wenn ich doch auch so ein Beamter für Steuern im Reich wäre, ich hätte mein Einkommen ohne Sorgen. Und ehe er sich versah trug er die teure Kleidung eines Beamten, spürte aber den Ärger und die Anfeindungen der Leute. So wünschte er sich nichts sehnlicher, als ein großer Herrscher zu sein, für den andere arbeiteten und ihm den Ärger abnahmen. Noch bevor er diesen Traum zu Ende gedacht hatte, lag er in einem prachtvollen Palast, umgeben von vielen Soldaten und Beamten die ihn schützten. „Das ist ja wie im Gefängnis…“, dachte er so bei sich, „wenn ich doch wieder die alte Freiheit wie früher genießen könnte!“ Und nur wenige Augenblicke später saß er wieder an seiner Töpferscheibe in seiner Werkstatt, betrachtete das Lamm und freute sich an seinem Leben.

Wer sind wir und was haben wir aus unserem Leben gemacht? Die Tage der Einkehr helfen uns zum Innehalten und Nachdenken. Unser „Töpfer und Schöpfer“ hat unser Leben mit Gaben und Fähigkeiten reich beschenkt, doch was machen wir daraus und woran orientieren wir uns? Wir „bekleiden“ uns selten mit „Demut“ und Bescheidenheit. Wir wollen das Leben in vollen Zügen genießen und geben uns gerne als andere aus, die wir in unseren Herzen nicht sind und auch nicht sein müssen. Zurück zum Wesentlichen, zurück zum Eigentlichen, das wünsche ich uns in diesen Tagen,

Ihr Pfarrer Martin Krautwurst.

 

 

Samstag, 21.03.2020

Der Herr spricht: Ich will Frieden geben in eurem Lande, dass ihr schlaft und euch niemand schrecke. (3. Mose 26,6 Losung))

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, er bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. (Philipper 4,7 Lehrtext)

Der Frieden in unserem Land hat sich verändert. Die aktuellen Bilder und Zahlen erschrecken unser Gemüt. Unsere Herzen und Sinne ängstigen sich, ich spüre eine bedrückende Hilflosigkeit, wenn ich Bilder wie die in Bergamo im Fernsehen verfolge. Und doch gibt es eine Hoffnung und einen Frieden in diesen Tagen, an denen ich gerne festhalten möchte. Ich spüre eine große Solidarität mit den Gefährdeten in unserer Gesellschaft. Ich spüre eine große Dankbarkeit mit den Handelnden in diesen Tagen. Nicht der Gewinn und der Kommerz bestimmt in diesen Tagen unsere Gesellschaft, sondern die Fürsorge und die Nächstenliebe.

Mich erreichen unzählige Nachrichten der Dankbarkeit über empfangene Hilfe und Seelsorge. In der Evangelischen Gemeinde Meran hat sich ein Netz von Telefonaten über das ganze Gemeindegebiet gespannt, in denen man kommuniziert und organisiert. Mut machende Texte und Bilder gehen von Haus zu Haus. Ich habe das Gefühl, dass trotz der verordneten Distanz eine wunderbare und heilende Nähe entstanden ist. Menschen singen, beten und Tanzen zeitgleich. Kerzen leuchten in den Fenstern als Zeichen der Dankbarkeit, Lieder erklingen an geöffneten Fenstern und auf Balkonen. Wofür man früher vielleicht als „verrückt“ erklärt worden wäre, wird heute beklatscht und bejubelt. Frühlingsgefühle kommen in uns auf.

Wir feiern den Frühlingsanfang und es drängt uns nach draußen in die Natur zu gehen und die Spuren von Gottes Schöpfung zu spüren und einzuatmen. Der Blick aus dem Fenster verspricht uns bis jetzt zumindest eine gewisse Vorfreude auf „Gottes schöne bunte Welt“! Ich möchte Sie / Euch heute dazu einladen und ermutigen, den Blick auf diese unsere Welt zu Papier zu bringen. Egal ob Ihr gut malen könnt oder nicht, per Bleistift, Buntstifte oder Wasserfarben, bringt die Facetten dieser Tage auf Leinwand, Papier oder Karton und schickt mir diese Bilder für eine Ausstellung in unserer Christuskirche. Momente unseres Lebens, Zeichen des Für- und des Miteinanders, Begegnungen mit Gott und dieser Welt, ich danke Euch dafür, und… „Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, er bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! (Philipper 4,7)

Ihr / Euer Pfr. Martin Krautwurst  

Donnerstag 19.3.2020

Gott wandte sich Israel wieder zu um seines Bundes willen mit Abraham, Isaak und Jakob und wollte sie nicht verderben, verwarf sie auch nicht von seinem Angesicht bis auf diese Stunde.  

  1. Könige 13,23

Liebe Gemeinde,

diese Losung für den heutigen Tag habe ich gerade gelesen. Gott wendet sich dem Volk Israel wieder zu. Gott bewegt sich auf die Menschen zu. Gott sucht Nähe, Austausch mit ihnen.  Es tut gut an einen Gott zu glauben, dem Gemeinschaft wichtig ist. Nicht nur wichtig, sondern existentiell. Allein für sich, will und kann er nicht sein.

Vorher las ich in der Zeitung von Dienstag die Berichte darüber, dass an verschiedenen Orten der Umgebung Menschen sich auf Plätzen und in Parks getroffen hatten zum Reden, zum Boccia, zum Bewegen. Auch uns Menschen ist Gemeinschaft wichtig. Wir brauchen uns, den Kontakt, den Austausch miteinander. Davon abgeschnitten sein, ist schlimm und schwer zu ertragen. Im extremsten Fall ist Isolation eine Folter. Davon sind wir aber meilenweit entfernt.

Leider lese ich im Internet, dass die Regierung in Italien über eine noch strengere Limitierung der Öffnungszeiten und Bewegungsmöglichkeiten nachdenkt. Keine gute Nachricht an diesem Morgen.

Was heißt das nun? Nutzen Sie die Möglichkeiten des Kontaktes, die wir haben. Zum Glück gibt es Telefon, e-mail, What’s app, Internet. Ja, alles nur technische Möglichkeiten, die eine richtige Begegnung nicht ersetzen können. Aber dennoch helfen Sie uns, Kontakt zu anderen Menschen herzustellen. Es hilft uns, die Lage zu ertragen, wenn wir sie anderen mitteilen können und hören, was sie dazu sagen.

Öffnen Sie um 18.00 Uhr das Fenster und lauschen Sie auf das, was zu hören ist. Menschen versuchen einander zu erreichen, mit Musik und Glockentönen. Ein Zeichen der Zusammengehörigkeit.

Und probieren Sie mal, wenn Sie es nicht schon ohnehin tun, eine weitere Möglichkeit des Kontaktes: Innehalten und einen Gedanken, einen Satz an Gott senden. Gott lädt uns dazu ein.

Gott behüte Sie und Euch!

Ihr Pfarrer Carsten Gerdes