Andacht 03/2020

„Von himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ so sagen wir manchmal, um eine Situation zu beschreiben, die sich von einem Moment auf den anderen total gedreht hat. Eben war noch alles gut, das Leben schön, die Stimmung heiter, vielleicht sogar ausgelassen – und dann passiert etwas und unsere Verfassung schlägt ins Gegenteil um. Ich habe das manches Mal erleben müssen, wenn ich als Notfallseelsorger Polizisten begleitet habe, die die schwere Aufgabe hatten, Menschen die Nachricht vom unerwarteten Tod eines Angehörigen zu überbringen. Nach dem Klingeln öffnet sich die Tür und bei unserem Anblick spiegelt sich ein erstes Erschrecken auf dem Gesicht des Gegenübers. Und nachdem wir die Wohnung betreten und uns gesetzt haben, wird dann, möglichst in einem Satz, gesagt, was geschehen ist. Und jedes Mal bricht eine Welt zusammen – nicht unser aller, aber die, der unmittelbar Betroffenen. Von einem Moment auf den anderen hat sich ein Leben in seinen Bezügen völlig verändert. Ein Sturm an Gefühlen bricht aus. Sie zeigen sich unterschiedlich, von schweigsamer Versteinerung bis hemmungslosem Klagen, aber immer sind sie da. In der Zeit danach, wenn die Beamten gegangen sind, versuchen wir Notfallseelsorger irgendwie ein Zeichen zu setzen: Du bist nicht allein in dem, was geschehen ist! Das gelingt, mal besser und mal weniger gut, erreicht den anderen vielleicht auch gar nicht. Mir hilft, auch wenn ich es in solchen Momenten nicht laut ausspreche, dass ich weiß, es geht im Leben auch anders herum: von zu Tode betrübt, zu himmelhoch-jauchzend. Von Karfreitag zu Ostersonntag ist die Bewegung Gottes. Seine Antwort, seine Reaktion auf völlige Verzweiflung angesichts des Todes. Sie gibt mir Mut und Halt, auch wenn ich wieder einmal vor einer unbekannten Tür klingeln muss. Ostern lässt mich leben.

Ihr Pastor Carsten Gerdes