Liebe Gemeinde!
Gehen oder nicht gehen? Natürlich wird die Brücke halten, denke ich. Hier in Europa ist so eine doch regelmäßig TÜV-geprüft. Aber vielleicht trete ich daneben und rutsche an der Seite durch die Seile? Es ist trocken. Die Brücke schaukelt nicht. Du kannst dich an beiden Seiten mit den Händen festhalten, und niemand drängelt hinter dir.
Ein innerer Wettkampf.
Wie bei dem Vater, der die Worte der Jahreslosung herausschreit. Sein Sohn immer wieder von Anfällen geschüttelt. Aus seinem Mund quillt Schaum, ein sprachloser Geist beherrscht ihn. Der Vater geht zu Jesus und bittet ihn um Hilfe: „Wenn Du etwas kannst, dann hilft uns“, sagt er. Jesus reagiert daraufhin beinahe beleidigt: „Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Da schreit der Vater ihn an: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Und Jesus heilt seinen Sohn.
Ich bin beeindruckt. Darüber, dass der Vater laut wird. Er hat allen Grund dazu, denn schließlich geht es um das Leben seines Sohnes. Aber er schreit keinen Befehl heraus und keinen Vorwurf. Er schreit um Hilfe. Und darauf reagiert Jesus. Er wird nicht ärgerlich über das Schreien, sondern er hilft endlich.
Beeindruckt bin ich auch davon, wie genau der Vater sich selbst kennt. Ja, er glaubt, aber er kennt auch seine Zweifel, seinen Unglauben. Wie soll er denn reagieren, als Jesus ihm mit dem Satz kommt: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“? Der Vater tut das einzig Richtige: Er steht zu seinem Glauben und zu seinen Zweifeln. Der Glaube ist nicht das Problem. Das Problem ist der Unglaube. Für den bittet er Jesus um Hilfe. Und Jesus zögert keinen Moment: Er hilft nicht nur dem kranken Sohn, sondern er erfüllt auch die Bitte des Vaters, ihm in seinen Zweifeln zu helfen.
Die Jahreslosung für 2020 erinnert uns, dass wir sowohl zu unserem Glauben als auch zu unseren Zweifeln stehen dürfen. Gegenüber anderen Menschen und auch gegenüber Gott.
P. Carsten Gerdes